Eine junge Gemeinde mit großer Geschichte
Die Gemeinde Wiedemar ist vergleichsweise jung. Die heute bekannte Gemeinde entstand erst im Jahr 2013, als der Zusammenschluss mit den Gemeinden Neukyhna und Zwochau zur Einheitsgemeinde Wiedemar vollzogen wurde. Doch die Geschichte reicht viel weiter zurück: Historische Funde und Gräberfelder beweisen, dass bereits germanische und sorbische Völker im 7. und 5. Jahrhundert v. Chr. das Gebiet besiedelten.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Wiedemar im Jahre 1272 als „Villa Wedemar“. Der Ortsteil Kölsa, dessen Name aus dem slawischen „Colsow“ abgeleitet wurde, bedeutet „Rodungsort“ und tauchte bereits 1158 in einer Urkunde auf. 1342 folgte die Ersterwähnung von Wiesenena als Besitz des Ritters Hermann von Wiesenena. Der heutige Ortsteil Klitschmar wurde unter dem damaligen Namen „Gliczene“ im Jahre 1349 festgehalten. Auch dieser Name entstammt dem Slawischen und steht für den „Ort an der Quelle“. Alle Ortschaften des heutigen Wiedemars gehörten einst dem kursächsischen Amt Delitzsch an. Aufgrund der Beschlüsse des Wiener Kongresses ging der Ort in preußischen Besitz über. Die zahlreichen einschlagenden Veränderungen aufgrund historischer Ereignisse, wie Seuchen und dem Zweiten Weltkrieg, machten Wiedemar zu dem Ort, der er heute ist.
Die Sehenswürdigkeiten der Stadt
Zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Wiedemars zählt die Kirche St. Katharina. Der spätgotische Sakralbau entstammt der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Die Besonderheiten sind vor allem das hohe Walmdach sowie die Orgel von Nicolaus Schrickel.
Ebenso sehenswert ist die Dorfkirche im Ortsteil Kölsa aus dem 12. Jahrhundert. Das Gotteshaus mit dem romanischen Turm zeichnet sich durch seine roten Backstein-Applikationen an der Fassade aus und besitzt eine Rühlmann-Orgel. Eine weitere Rühlmann-Orgel findet man zudem in der Dorfkirche Klitschmar, welche im 13. Jahrhundert erbaut wurde und die Stile der Romantik und Renaissance vereint.
Wer sich für vergangene Zeiten interessiert, findet in der gesamten Gemeinde eine Vielzahl an historischen Herrenhäusern, die einst zu ehemaligen Rittergütern gehörten. So kann man z.B. in Grebehna das klassizistische Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert betrachten oder in Lissa das stattliche Herrenhaus mit seinem hölzernen Balkon und einer offenen Vorhalle bewundern. Auch in Pohritzsch findet man im örtlichen Park mit dem Herrenhaus ein Überbleibsel des einstigen Ritterguts mit einer spätklassizistischen Fassade. Heute wird das Rittergut vorwiegend als Obsthof genutzt.
Die Natur als Zeuge der Heimatgeschichte
Zur Jahrtausendwende sollte durch das Gebiet von Wiedemar eine Gasleitung von Halle bis nach Leipzig gebaut werden. Um diesen Bau zu gewährleisten, wurden im Vorfeld Messungen und Untersuchungen durchgeführt. Diese Untersuchungen zeigten Erstaunliches: Auf den Feldern zwischen Kyhna und Peterwitz, unweit der Peterwitzer Mühle, entdeckte man sogenannte Kreisgrabenanlagen. In ganz Europa wurden im Laufe der vergangenen Jahre mehrere solcher Anlagen aufgespürt und offengelegt. Im Gegensatz zum englischen Steinkreis Stonehenge, bestanden diese jedoch aus Holz, weshalb nur noch veränderte Bodenzusammensetzungen auf das einstige Aussehen der Anlagen schließen lassen. Die Anlage um Wiedemar ist die einzige ihres Ausmaßes, die bisher gefunden wurde. Die vier Meter tiefen Gräben, vier an der Zahl, mit einem Durchmesser von 135 Metern, geben einige Rätsel auf. Eine Vermutung über den Zweck der Anlage ist die Abhaltung von Zeremonien im inneren Kreis oder auch der Gebrauch als Schutzwall gegen Feinde. Sicher ist jedoch, dass sie vor ungefähr 6.600 Jahren entstanden sind.
Ein weiterer Schatz wurde bei Ausgrabungen in Zschernitz gefunden: Der Adonis von Zschernitz. Unweit des heutigen Ortsteils von Wiedemar fanden Archäologen eine ehemalige Ansiedlung. Ebenfalls tauchte bei den Arbeiten ein einzigartiges Tongebilde auf, welches die Experten schließlich als Abbild eines nackten Mannes identifizierten. Das ungewöhnliche an der Figur ist die anatomische Präzision, mit der gearbeitet wurde. Das Fundstück besteht aus zwei Teilen: Dem Gesäß sowie dem Oberkörper. Der Ursprung dieser Figur wird auf die Zeit zwischen 5200 und 5100 v. Chr. geschätzt.
Vielseitigkeit der Leipziger Tieflandsbucht
Wiedemar bietet seinen Besuchern eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Allen voran steht auch dort die Natur der ländlichen Idylle im Vordergrund. So findet man am östlichen Rand des Ortsteils Zwochau einen kleinen Tagebausee: Den Zwochauer See. Der Badesee zählt zum Vogelschutzgebiet und ist seit 2016 ebenfalls Teil des Naturschutzgebietes Werbeliner See. Nur unweit davon entfernt befindet sich der Grabschützer See. Auf dem ehemaligen Braunkohletagebaugebiet kann man auf einem etwa acht Kilometer langen Naturlehrpfad Wissenswertes über das Umland erfahren.
Kleine Besucher, die sich eher für Technik interessieren, kommen im Technisch-Ökologischen Projektzentrum Rabutz auf ihre Kosten. Seit 1996 können Kinder und Jugendliche im „Rennstall Rabutz“ aktiv ihr Wissen zum Thema Technik erweitern. In Arbeitsgemeinschaften werden verschiedenste Projekte bearbeitet, die sogar auf internationalen Technik-Messen vorgestellt werden können.
Für alle, die sich lieber auf einen Shopping-Trip begeben möchten, ist das Gewerbegebiet Wiedemar die richtige Adresse. Der Modepark Röther lädt zu einem gemütlichen Bummel ein. Auf großzügigen und modernen Flächen bietet das Familienunternehmen seit 1972 eine Vielzahl an bekannten Markenwaren. Zudem ist Wiedemar ein Sitz der Bäckerei „Harry“. Auf der „Grünen Wiese“ errichtete das Unternehmen 1993 die erste Großbäckerei und beliefert von dort aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Je nach Region des Produktionsstandortes werden besondere Waren gebacken, für die regionale Getreide verwendet werden. In Wiedemar wird zum Beispiel „Das Besondere“ hergestellt – ein Roggenmischbrot mit knuspriger Kruste und Sonnenblumenkernen.
Wer sich bei einem Ausflug nach Wiedemar stärken möchte, findet in „Dorns Rosenstübel“ die perfekte Möglichkeit zur Einkehr. Das familiengeführte Haus lädt seine Gäste in gemütliche Räumlichkeiten mit gutbürgerlicher Atmosphäre und deftigem Essen ein. Neben dem Restaurant verfügt das Haus außerdem über eine Pension mit neun liebevoll eingerichteten Zimmern.
Bedeutende Söhne der Stadt
Der Ort Wiedemar kann einige namhafte Persönlichkeiten verzeichnen. So wurde u.a. Christian Friedrich Petzold 1743 in Wiedemar geboren. Der Logiker und evangelische Theologe war Prediger an der Universitätskirche St. Pauli in Leipzig und wurde später, im Wintersemester 1787, Rektor der Alma Mater. Auch Carl Gottlob Küttner zählt zu den Söhnen der Stadt. Geboren 1755, studierte er an der Universität Leipzig und reiste später durch die gesamte Schweiz. Daraus entstanden die „Briefe eines Sachsen aus der Schweiz an seinen Freund in Leipzig“, in welchen die gesamte bis dahin publizierte Literatur der Schweiz kritisch betrachtet wird. Ebenso verfasste er Briefe über Irland, Frankreich und Holland. Ein Gedenkstein auf dem Dorfplatz aus dem Jahre 1964 erinnert bis heute an Willi Grübsch: Der kommunistische Widerstandskämpfer fiel der NS-Diktatur zum Opfer und wurde nach seinem Zuchthausaufenthalt 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet.
Werner Peters, geboren 1918 im Wiedemarer Ortsteil Werlitzsch, war ein bekannter Schauspieler. Seine populärste Rolle war die des Diederich Heßling im DEFA-Klassiker „Der Untertan“. Nachdem er mit dem DDR-Regime brach, siedelte er nach Westdeutschland über und war u.a. am Schillertheater Berlin tätig. Außerdem spielte er in „Hotel Adlon“ (1955) sowie in „Nachts, wenn der Teufel kam“ (1957) mit Mario Adorf mit.
Veranstaltungshöhepunkte
Wiedemar ist ein Teil der Mühlenregion in Nordsachsen. An der Bockwindmühle in Zwochau wird jährlich im April die Mühlensaison eröffnet. Dabei werden u.a. die Mühlentechnik sowie die Geschichte des Müllerwesens erläutert. Auch am Pfingstwochenende wird die Bockwindmühle zum Ausflugsziel. Beim jährlichen Deutschen Mühlentag können Besucher Wissenswertes rund um die Mühlen der Region erfahren.
Ebenso ist der Karneval in der Region ein beliebtes Fest und wird gern gefeiert. Der traditionsreiche Zwochauer Karnevalsverein besteht bereits seit 1982 und lädt jährlich zu seinen Karnevalssitzungen ein. Des Weiteren gibt es in mehreren Ortsteilen Wiedemars an Ostern die beliebten Osterfeuer – so z.B. in Kölsa oder Klitschmar. Für die kleinen Gäste wird ein Fackelumzug sowie frisches Knüppelbrot geboten.
Aber auch in den kleineren Ortsteilen von Wiedemar wird gern gefeiert, so auch beim Dorf- und Teichfest in Zaasch, organisiert vom Verein der Vogelliebhaber. Auch Zschernitz lädt jährlich zu seinem Dorffest ein: Gemeinsam mit den Kameraden der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr wird ein ausgelassenes Fest organisiert.
Natur Pur
Die zahlreichen Parks, weitreichenden Felder, Wild- und Streuobstwiesen sowie die vielen Biotope sind der perfekte Ausgangspunkt für eine Wanderung. Als Teil des Europäischen Vogelschutzgebietes und des Naturschutzgebietes Werbeliner See wird gleichzeitig auch auf das Thema Arten- und Naturschutz aufmerksam gemacht. Vor allem im stillgelegten Tagebau Delitzsch Südwest kann man außergewöhnliche, geschützte Vogelarten beobachten. Bei geführten Ausflügen, wie z.B. Fahrradexkursionen, lernen Interessierte die Umgebung um Wiedemar auf eine einzigartige Weise kennen. Wer lieber zu Fuß unterwegs ist, kann sich auf eine Rundwanderung um den Zwochauer See begeben. Die rund sieben Kilometer lange Strecke bietet den perfekten Ausgleich zum stressigen Alltag.
Wissenswertes auf einen Blick
Aufgrund der günstigen Lage unweit von Leipzig, Halle und Delitzsch bietet die Stadt einen guten Ausgangspunkt für zahlreiche Tagesausflüge und Wanderungen. Mit rund 5.300 Einwohnern ist Wiedemar von dörflicher Idylle geprägt. Dennoch ist der Ort als Teil der Leipziger Tieflandsbucht sehr gut an das Verkehrsnetz angebunden: So führen die Autobahnen 14 und 9 durch das Gemeindegebiet. Ebenso kann Wiedemar von Leipzig aus, über Delitzsch mit den S-Bahn-Linien 2 und 3 in Verbindung mit einer Anschlussfahrt erreicht werden. Südlich von Wiedemar befindet sich zudem der Flughafen Leipzig/Halle.